Und ach, am Freitag IV

Ein Hund, der sich deprimiert um sich selbst dreht, nur um dann in ein Katzenklo zu machen, ist das erniedrigendste, was ich jemals gesehen habe. Für mich und meinen Georg ist dieser Anblick mit all seinen Konsequenzen neuerdings Realität. Denn wir können nicht nach draußen: Michael und Valentina haben jetzt wieder Hunde.
Schon vor Ewigkeiten trennten die beiden sich in einer für alle Seiten unbefriedigenden Scheidung und leben seitdem in Paderborn an jeweils einem Ende der DeAndre-Jordan-Straße. Leider tragen sie ihren Konflikt nicht wie normale Ex-Partner damit aus, sich auf Social Media zu übertrumpfen. Nein, die beiden haben sich dazu entschieden, ihren Zwist mit Kampfhunden zu lösen.
Es begann mit der friedlichen Dressur dazu, der jeweils anderen Partei in den Garten zu defäkieren, gipfelte in hässlichen Hundekämpfen und resultierte schließlich in der Beschlagnahmung beider Hunde durch die Stadt. Die Lokalpresse stürzte sich unmittelbar auf den „Paderborn-Ost-Konflikt“ und führte je nach Gusto Schmierkampagnen gegen Michael und Valentina.
Viele hier solidarisieren sich mit Valentina, haben aber große Panik, vor dem Echo, dass ihnen etwaige Michael-Kritik entgegenbrächte. Irgendwo zu Recht, wäre es nach Michael gegangen, hätte er sich wohl irgendwo anders ein Haus gesucht. Der Freund, der ihn um jeden Preis in der Nachbarschaft halten wollte, hat der Situation längst den Rücken gekehrt.
Doch diesen Monat ist das Thema wieder brandaktuell geworden. Nur einen Tag, nachdem Valentina ihren neuen Rottweiler „ABBA“ durch die Siedlung Gassi führte, präsentierte Michael der Nachbarschaft seinen Pit Bull-Terrier „Benni“. Keiner der beiden kann ausgehen, ohne dass der andere zufällig ebenfalls mit seinem tierischen Stellvertreter ausschwärmt. Es ist die Hölle und geht sogar so weit, dass Unschuldige mit reingezogen werden: Georg und viele andere Hunde trauen sich so natürlich nicht mehr nach draußen.
Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann, und doch ist unsere Diskussionskultur komplett zerfahren. Viele schweigen in Sorge, Gewalt nicht mehr kritisieren zu dürfen, andere instrumentalisieren die Diskussion hinter der Fassade ihrer Kritiken für fragwürdige Agenden. Die meisten können es einfach nicht mehr hören. Was denn mit den anderen Scheidungen in dieser Stadt sei, heißt es dann, da seien ja noch viel heftigere Fälle dabei. Aber sich deshalb abwenden? Das ist zumindest einigermaßen, was die Medien versuchen, wenn sie über die beiden nur in multiplen Meta-Ebenen sprechen oder eben darüber schreiben, wie denn gerade darüber geschrieben wird. Haltung haben sei mutig, aber jede Haltung sei vor allem auch falsch. Dritte müssten sich endlich einmischen, aber mit welchem Ansatz, will auch wieder niemand entscheiden.
Vielleicht ist das, was uns an Michael und Valentina so fassungslos fasziniert ja, dass es eben keine richtige Antwort gibt. Wir können nur machtlos ertragen, wie die beiden unsere Machtlosigkeit ertragen – und Hundescheiße aus dem Katzenklo schaufeln.
Jann Wattjes