Moderner »Herrendienst« im Berliner Karneval

By 10. Februar 2022April 17th, 2022Hörstelle

Moderner »Herrendienst« im Berliner Karneval

Humoreske

(veröffentlicht am 13. Februar 1848 in der Deutschen Brüsseler Zeitung Nr. 13)

Es schaute der König aus seinem Schloß
Hoffärtig mit roter Nase,
Die war “rubin”, weil sie gar zu oft
Gesteckt im Champagnerglase.

Und der König schaute zum Himmel auf,
Es war Mond- und Sternenschein eben,
Und ließ seinen Herren Compagnon
Mit schallendem Vivat leben

Und sprach: “O könnt ich jedem Stern,
den du schufst, ein Ganzes bringen,
O könnt ich dir, meinem Überherrn,
Unaufhörlich ‘dienen’ und singen.”

Und er hub den Pokal, der war so groß
Wie die mittelaltrigen Humpen,
Und sprach: “Wenn’s dir da droben gilt,
Dann lasse ich nie mich lumpen!”

Der David fürwahr lobt’ gegen ihn
Den Herrn im ganzen nur wenig,
Wenn, von Gottes Gnaden, er trank und sang,
Der christlich-germanische König.

(Auch war er sündhaft wie David nicht
Ergeben dem schönen Geschlechte;
Die Bösen hießen ihn impotent,
Er hieß sich: Der Ungeschwächte.)

Und die Zunge ward schwerer und schwerer stets
Dem fürstlichen Schwerenöter,
Und dem allerhöchstseligen König ward
Die Nase stets röter und röter.

Und er sank aufs Lager und träumte sich
Bis in den siebenten Himmel,
Allwo ihn der Herr begrüßen tät
Mit süperbem Genever und Kümmel.

(Lt. Bruno Kaiser kann in diesem Fall Weerth nicht mit Sicherheit als Verfasser bezeichnet werden. Lediglich einige Indizien weisen auf ihn hin, so z. B. das Fragment eines Spottgedichts gegen Friedrich Wilhelm IV. sowie einige Wendungen in der ersten und letzten Strophe dieses Gedichts. Weerths rege Mitarbeit in der Deutschen Brüsseler Zeitung gilt lt. Kaiser als eine Art Vorspiel für seine Redaktionstätigkeit in Köln.)