Leben und Taten des berühmten Ritters Schnapphahnski – XXII.Der Gürzenich (2)

By 27. April 2022Hörstelle
Erschienen in der Neuen Rheinischen Zeitung Nr. 80, 81 und 83 vom 19., 20. und 23. August 1848.
»’Sie irren sich!’ begann er von neuem …«; danach N. Rh. Z.: »erinnern Sie sich nicht des Anfangs jener serbischen Gesänge:
Rollt der Donner oder bebt die Erde?
Nicht der Donner ist es noch die Erde:
Die Kanonen krachen in der Feste,
In der starken Feste Peterwardsein.
Fortwährend summten mir diese Worte durch den Kopf, als wir von Deutz nach Köln hinüberfuhren. War es nicht, als ob die ganze Stadt …«
»Ja, Se. Majestät war gerührt über diesen Empfang «: N. Rh. Z.: »Nein, Se. Majestät war […] eben erschien der König und der Reichsverweser.« Hier endet der Erstdruck in Nr. 80 der N. Rh. Z. In Nr. 81 beginnt die Fortsetzung:
»’Willkomm! Willkommen rufen wir
Euch all’ in dieser Stund;
So tönt es, Friedrich Wilhelm, Dir
Aus Deiner Bürger Mund.’
So klang der erste Vers des bereits erwähnten echt germanischen Ragouts von Inkermanm, der auch unter dem Namen Otto Sternau zugleich mit dem Dr. Gustav Pfarrius, Ritter, seit einiger Zeit offizieller könischer Stadtsänger geworden zu sein scheint.
‘Willkomm! Willkommen! tönt es Dir,
Johann von Östreich, auch,
Den Ehrenbecher reichen wir
Dir heut nach altem Brauch.’
So hieß der zweite Vers, und mein Nachbar, der östreichische Abgeordnete, überzeugte sich immer mehr davon, daß das Festlied des Herrn Inkermann-Sternau ein echt germanisches Ragout, und zwar ein sehr ungenießbares sei. Stadtsänger Pfarrius hätte es nicht besser machen können.
‘Willkomm! Ihr treuen Männer all
Von Frankfurt an dem Main!
Willkommen bei Trompetenschall
Im alten Köln am Rhein!’
Das war der dritte und letzte Vers, und der alte Gürzenich dröhnte von einem Jubel, von einem solchen Applaus, daß meine nervöse Repetieruhr vor Schrecken stillstehen blieb. Stadtsänger Sternau-Inkermann wird behaupten, daß der Applaus bloß seinem poetischen Ragout, bloß der Fülle seiner Gedanken und der Zartheit seiner metrischen Wendungen gegolten habe. Stadtsänger Pfarrius wird, natürlich aus rein künstlerischer Eifersucht, durchaus anderer Meinung sein. Gott weiß, wie es darum steht. Überlassen wir die beiden Stadtsänger ihren Ansichten und ihrem ferneren edlen Wettstreit. Der Beifall aller Gerechten wird ihren wackeren Bestrebungen nicht mangeln.
Freundlich lächelten die hohen Herren … der Inkermannschen Poesie …«: N. Rh. Z.: »der Sternau-Inkermannschen Poesie in den Winkeln des Riesensaales verklungen war, da erhob sich von der Bank der Fürsten …«
(aus: Georg Weerth, Sämtliche Werke, Bd. 4, Hrg. Bruno Kaiser, Aufbau-Verlag 1957)