Leben und Taten des berühmten Ritters Schnapphahnski – XXI.Das Domfest (1)

By 23. April 2022Hörstelle
Erschienen in der Neuen Rheinischen Zeitung Nr. 79 vom 18. August 1848.
In dem vorhergehende Kapitel schloß der „Schnapphahnski“ in der N. Rh. Z. Am 17. März 1849 begann Wilhelm Wolff einen Leitartikel mit den Sätzen: „Ritter Schnapphahnski ist tot. Aber Schnapphähne haben wir noch in großer Menge.“ In der nächsten Nummer des Blattes erschien im Feuilleton auf der ersten Seite folgende Feststellung Georg Weerths:
»Berichtigung
in betreff des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Wie gewöhnlich las ich heute mittag nach dem Essen die „Neue Rheinische Zeitung“ und geriet in nicht geringes Erstaunen, als ich aus dem Anfange des leitenden Artikels die haarsträubende Behauptung ersah, daß der berühmte Ritter Schnapphahnski tot sei.
Ich halte es für meine Pflicht, diese Verleumdung höchst entrüstet zurückzuweisen. Schnapphahnski ist nicht tot. Schnapphahnski lebt, und nimmer wird er sterben. Mein Schnapphahnski ist unsterblich!
Köln, den 17. März 1849.
Der Verfasser
des Lebens und der Taten des berühmten
Ritters Schnapphahnski.«
Für die Buchausgabe konnte der unvermittelte Abschluß nicht genügen, und so fügte Weerth hier seinen köstlichen Bericht vom Kölner Domfest des August 1848 hinzu, allerdings mit mancherlei Änderungen und Kürzungen. Der Erstdruck, der unter dem Titel „Das Domfest von 1848“ erschien, begann behaglich-übermütig und höchst anschaulich mit der Schilderung eines Wolkenbruchs; sie erinnert entfernt an den Anfang von Otto Ludwigs „Heiterethei“, die einige Jahre später erstmals in der K. Z. erschien.
»Große Tage liegen hinter uns, Tage, groß wie die Welt, groß wie der Dom. Erhabene Erinnerungen lassen sie zurück und manchen unangenehmen Schnupfen. In der Tat, die Kölner können sagen, daß sie für ihren König zwar nicht ins Feuer gegangen sind, wohl aber ins Wasser.
Gab es je einen herrlicheren Regenschauer als den vom Dienstag morgen, zwischen elf und zwölf? In die konstitutionellen Könige der Erde vertieft, hatte das Volk die absoluten Monarchen des Himmels vergessen, den Wolkenversammler Zeus, der, ärgerlich darüber, plötzlich seine Schleusen öffnete und die gottvergessene Menge in so nachdrücklicher Weise von aller Unsauberkeit reinigte, daß wirklich an den meisten Menschen kein einziger sündhafter Zoll mehr zu waschen übrigblieb.
Man muß gestehen, das Schicksal hat den Göttern nicht nur den Nektar gegeben, sondern auch das Regenwasser, und das letztere in so großer Menge, daß es ihnen eben nicht darauf ankommt, sich gerade dann ihres Überflusses zu entledigen, wenn die armen trockenen Menschenkinder des Befeuchtens am allerwenigsten gedürfen.
Nichts ist übrigens heiterer als so ein urkräftiger Guß über eine ehrfurchsvoll harrende Menge. Es ist damit geradeso wie mit einem Pastor, der mitten im besten Redezuge auf offener Kanzel niesen muß. Alle Illusion ist verloren. Die frommen Pfarrkinder des Pastors werden daran erinnert, daß alles irdisch ist, und die armen Begossenen des Regengusses gehen mit dem kühlen Bewußtsein ihrer nassen Füße nach Hause und denken mehr an ein Paar warme Pantoffeln als an Ibrahim Pascha oder an die Königin Pomare.
Für mein Leben gern sehe ich aus einem trockenen Hinterhalte dem erfrischenden Schauspiele einer allgemeinen Taufe zu. Zuerst ein leiser Wind, der den Staub mit lustigen Kräuseln vom Boden erhebt – die Locken einer schönen Dame gaukeln anmutig an den blühenden Wangen vorüber. Dann ein fühlbarer Stoß, der die Fensterläden und die Dachpfannen klappern läßt – das Gewand unserer Dame schmiegt sich inniger um die harmonischen Formen des schlanken Wuchses. Hierauf die ersten schweren Topfen, flüssige Perlen niederrollend auf die lechzende Erde – unsere Dame schaut ängstlich empor, und das hübsche Profil des schneeweißen Antlitzes sticht entzückend gegen den schwarzblauen Himmel ab. Jetzt Sturm und Regen zu gleicher Zeit, wirbelnder Staub und klappernde Fenster – unsere Dame zieht den Schal über die seligen Schultern und sieht sich so ängstlich nach einem Regenschirm um wie ein Gänschen nach dem Fittich der Mutter Gans. Immer heftiger stürmt es und tropft es, und immer unruhiger wird unsere jugendliche Schöne; kein Schirm, kein Mantel, kein Dach und kein Fach; losplatzt da die ungalanteste der Wolken, und Himmel und Erde schwelgen im Kuß der nassen Umarmung – unsere Dame reißt aus wie besessen. Aber ach, mit ihr flüchten auch alte Matronen und weinende Kinder, lange Gymnasiasten und duftende Hofräte, Flegel vom Lande und gebildete Städter, Soldaten und Handwerker und Gemüsefrauen und Taschendiebe, bis unsere Dame zuletzt im Gedränge verschwindet und sich der ganze Haufen unter jauchzendem Verwünschen dem nächsten Zufluchtsort entgegendrängt, Hüte und Schuhe und Stöcke und erlöschende Zigarren im Strudel zurücklassend, immer vorwärtsdringend und immer toller verfolgt von dem heillosen Wetter, und oh, es gibt nichts Köstlicheres als so eine allgemeine Retirade!
Leider sollte ich dem berühmten Festregen der Dombautage nicht so heiter zusehen …«
(aus: Georg Weerth, Sämtliche Werke, Bd. 4, Hrg. Bruno Kaiser, Aufbau-Verlag 1957)