Erschienen in der Neuen Rheinischen Zeitung Nr. 74 vom 13. August und Nr. 92 vom 2. September 1848.
Don Carlos (eigentlich Carl Marie Joseph Isidor de Barbon y Borbon, 1788-1855): Prätendent von Spanien; er entfesselte einen sechsjährigen Bürgerkrieg, bei dem ihm der Junker-Landsknecht Lichnowski munter assistierte. Der Aufstand richtete sich gegen die die Regentschaft führende Königinwitwe und wurde von Kirche und Reaktion unterstützt. Carlos musste schließlich 1839 nach Frankreich flüchten.
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»… im Leihhause von Pampeluna.«: An dieser Stelle unterbrach Weerth für etwa drei Wochen die Veröffentlichung des »Schnapphahnski« in der N. Rh. Z. und brachte, den Tagesereignissen folgend, in sieben Fortsetzungen »Das Domfest von 1848«, das er später für die Schlusskapitel der Buchausgabe verwertete. Bei der Wiederaufnahme des abenteuerlichen Berichts am 2. September leitete er die Fortsetzung mit folgender Rekapitulation für den Zeitungsleser ein:
»Verzeihn Sie, edler Ritter, daß ich nicht schon längst die Erzählung Ihres Lebens und Ihrer Abenteuer bis zu einem erquicklichen Ende fortgesetzt habe.
Zürnen Sie mir nicht! Ich würde Sie gewiß nicht im Stich gelassen haben, wenn mir die Weltgeschichte der Gegenwart nicht zu nahe vor der Nase herumgesprungen wäre, wenn mich nicht all die großen und kleinen Geister, die jüngst bei uns herumspukten, gewissermaßen gezwungen hätten, auch ihnen einige Aufmerksamkeit zu schenken, auch sie der allgemeinen Heiterkeit preiszugeben.
Aber vorüber sind die Tage des Domfestes; es ist wieder ruhig und sabbatstill bei uns geworden, und aufs neue setze ich mich hin, Ihnen zu folgen auf Schritt und Tritt, ein gewissenhafter, ein treuer Freund, der Sie nie aus dem Auge velieren wird, der stets Ihrer gedenkt!
Ich besinne mich auf alle Ihre Aventüren, auf die Zeit, wo Sie als brauner Husar in O. in Schlesien, aus reiner Höflichkeit gegen einen zärtlichen Gatten und aus Furcht vor einem zweiten Trojanischen Kriege, Ihre Helena mitten auf die Landstraße setzten und es den Lakaien des Helden Menelaos überließen, Ihnen ein wohlmeinendes Andenken und einige derbe Haselstöcke zu widmen.
Ich denke daran, wie Sie in Troppau dem Grafen G., dem modernen Menschenfresser, mit krummem Säbel gegenüberstanden und das Duell nicht schlechter bestanden als einst Sir John seinen Zweikampf mit dem rasenden Schotten. Auch Ihre Liebe zu Carlotta ist mir gegenwärtig, und ich bedaure aufrichtig, daß der Adonis der Garde unhöflich genug war, Ihre Leidenschaft so gewissenhaft zu Protokoll zu nehmen. Die Diamantengeschichte dann und Ihre Reise nach Spanien! – Oh, ich erinnere mich eines jeden Zuges. Wie ein Teufelchen in der Flasche, so hüpfen Sie empor in meinem Gedächtnis; ich sehe Sie vor mir, in dem schönen schwarzen Haare, mit den lebendigen Augen und dem prächtigen Schnurrbart, – seien Sie mir gegrüßt, Herr Ritter! Willkommen, willkommen!
Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir den edlen Ritter in Spanien verließen. – Der Finanznot blasse Wehmut auf den Wangen, beraubt seiner Kriegeskasse von zweiundzwanzig Silbergroschen, und die Uhr zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna, so eilte er durchs Gebirge. Der Ritter sah traurig aus. Die Kleider waren zerrissen, die Wäsche schimmerte isabellenfarbig, und altspanischer Landstraßendreck spritzte hinauf bis in den kohlschwarzen Bart – es war kein Zweifel mehr, das Schicksal hatte Sr. Hochgeboren einen bedeutenden Fußtritt gegeben. Doch: ‚Heldenunglück rührt die Weiber‘ – die Enkelin Heinrich Heines, die Tochter Atta Trolls, des Bären, verliebte sich in den Ritter!«
(aus: Georg Weerth, Sämtliche Werke, Bd. 4, Hrg. Bruno Kaiser, Aufbau-Verlag 1957)