Kleines Tagebuch-Alphabet (F-G)

By 12. November 2022Tagebuch

F wie Fundsachen: Immer wieder bieten die Briefe eine wahre Fundgrube für die Erneuerung des Weerth-Bildes. So lesen wir in einem Brief vom 3. Juli 1855 aus Manchester an seine Mutter: “Nur plagt mich die Ungeduld, bald wieder herauszukommen […] Wenn andre Leute Genuß in der Ruhe finden, so ist bei mir das Gegenteil der Fall. Permanente Bewegung ist mir zur andern Natur geworden, und ich wünsche, daß es so bleiben möge.”

Seinen Bruder Wilhelm charakterisiert er in einem Brief an die Mutter vom 28. Oktober 1855 aus London: “[…] ich wünschte, daß er das Leben in Paris etwas länger genießen sollte. So geht es verheirateten Leuten; sie haben nirgendwo Ruhe als zu Hause.”

So verschieden können Brüder sein.

G wie Glück: Nicht nur nach Auffassung der Griechen ist der Charakter eines Menschen eine persönliche Kompetenz, eine wohldosierte Mischung aus Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Wahrhaftigkeit. Diese Kompetenz kann eingeübt werden in einer Gemeinschaft (z. B. einer Polis) und führt, wie Aristoteles es ausführt, zu einem glücklichen Leben.

Dass Glück auch von anderen Faktoren abhängig ist, verraten die wunderbaren lesens- und hörenswerten 20 überlieferten Briefe, die sich Georg Weerth und Betty Tendering zwischen Ende September 1855 und Anfang des Jahres 1856 geschrieben haben. Am kommenden Freitag, den 18. November, tragen Eva und Joachim Thalmann um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Detmold, Leopoldstr. 5, die Briefe in einer szenischen Lesung dem interessierten Publikum vor. Wer nicht das Glück hat, dort dabei sein zu können, kann die Briefe ab dem 19. November täglich in der neuen Rubrik →Love Letters nachhören. Ob die Beziehung ein glückliches Ende bekam, wird hier nicht verrraten.