»Die Liebe« XIII

By 21. März 2021April 17th, 2022Archiv
aus: Jugendgedichte (1841-1843)

XIII

Wenn der Morgenstern glänzt
Und das Morgenrot glüht:
Da weiß ich, wer singend
Ins Tal hinabzieht.
Da weiß ich, wer reitet
Zum frischgrünen Grund,
Da weiß ich, wer küßt
Einen frischroten Mund!

Du Herzallerliebste,
Du lustiges Kind,
Mach auf deine Hütte,
Laß ein mich geschwind!
Deiner Augen Gefunkel,
Deiner Locken Geroll
Macht Dumme verständig,
Verständige toll!

Für dich schlägt mein Herz!
Für dich blitzt mein Schwert!
Für dich laß ich tanzen
Mein nußbraunes Pferd!
Für dich litt ich willig
Spott, Schande und Not!
Für dich lief ich barfuß
Durch Hölle und Tod!

Drum auf deine Hütte!
Laß wallen dein Haar!
Laß leuchten dein Auge,
Dein Auge so klar!
Ich preß an die Brust dich,
Ich schwinge den Stahl –
Vielleicht daß ich küß dich
Zum letzten Mal.

aus: Georg Weerth »Die Liebe«, Gedichte I-XXV, 1841