Die komischen Kaiser – I. Kaiser Karl

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Die komischen Kaiser

I. Kaiser Karl

(veröffentlicht am 2. Juni 1848 in der Neuen Rheinischen Zeitung Nr. 2)

Herr Kaiser Karl, der fromme Mann,
Ließ viele Menschen zu Tode schlahn;
Er schlug sie tot um das Christentum:
Das brachte ihm ungeheuren Ruhm.

Und saß zu Aachen in seiner Pracht,
Im Wams aus Otternfell gemacht;
Und alle Völker nah und fern,
Die beugten sich dem gewalt’gen Herrn

Und brachten Geschenke aus aller Welt,
Viel Gold und Seiden und Gezelt;
Ihm bracht der Kalif aus Morgenland
Eine Uhr und einen Elefant.

Doch Kaiser Karl, der fromme Held,
Er sprache: „Was nutzt mir Gold und Geld,
Was soll der fremde Elefant? –
Hab schönre Dinge im eignen Land!“

Und zog hinauf den grünen Rhein,
Und pflanzte die Rebe zu Ingelheim;
Und pflegte sie mit derselben Hand,
Die hundert Völker überwand,

Ja pflegte sie mit der blutroten Hand,
Die hundert Völker überwand –
Und dies ist der Grund, daß zu Ingelheim
Noch heute wächst der blutrote Wein.

Eine Fortsetzung dieser geplanten und vielleicht auch schon geschriebenen Gedichtserie ist nicht erschienen. Die „Neue Zeit“, 1907/08, XXVI, I,684, druckte die Verse anlässlich der Uraufführung von Gerhart Hauptmanns „Kaiser Karls Geisel“ wieder ab, mit dem wahrscheinlich von Mehring stammenden Hinweis, dass Weerths Gedichte „längst hätten gesammelt werden sollen“.
Ingelheim war ein Lieblingsort Karls des Großen. Von dem roten und weißen Wein, der hier gezogen wird, hat auch Goethe berichtet (Aus einer Reise am Rhein, Main und Neckar in den Jahren 1814 und 1815).
(aus: Georg Weerth, Sämtliche Werke, Bd. 1, Hrg. Bruno Kaiser, Aufbau-Verlag 1956)