»Der Wein« XV

By 4. Juni 2021April 17th, 2022Archiv

XV

Herr König, Ihr, in Gold und Samt,
Ihr seid ein hochgepreister!
Sagt, habt Ihr nicht ein kleines Amt
Als Obertrinkemeister?

Studieren tät ich manches Jahr
Am Neckar und am Rheine
Und an der Mosel und der Ahr
In rot und weißem Weine.

Beim Löwenwirte an der Lahn
Und seiner schönen Schwester
Hab ich mein Geld und Gut vertan
Und blieb dort zwölf Semester!

Bis mein Examen kam heran –
Da war Herr Hans gar fleißig:
Der Fässer größtes stach er an
Vom Jahre vierunddreißig.

Aus allen Schenken nah und fern
Erschienen vor den Toren
Der Fakultät gelahrte Herrn
Und spitzten ihre Ohren.

Und ich dozierte blitzgeschwind
Und wies vor allen Dingen,
Daß Kölner Schoppen kleiner sind
Als die zu Mainz und Bingen,

Und daß hier Simrock, der Poet,
Als Winzer auch zu schauen,
Wenn er zum Menzenberge geht,
Sein Drachenblut zu bauen. –

Mein römisch Glas, so hell und rein,
So grün und bunt gekräuselt,
Erhub ein besseres Latein
Als Cicero gesäuselt.

Da schrieb man mein Diploma gut
Auf Pergament und Leder
Und steckte auf den Doktorhut
Mir eine Pfauenfeder.

Die Bauern aus dem Binger Loch
Hab ich zum Schmaus genommen;
Doch bin ich, leider, nimmer noch
Auf grünen Zweig gekommen.

Drum König, Ihr, in Gold und Samt,
Ihr hoch und sehr gepreister,
Sagt, habt Ihr nicht ein kleines Amt
Als Obertrinkemeister?

Gebt mir, soviel ein ehrlich Mann
Mit Würde weiß zu fassen,
Und habt Ihr keine Lust – wohlan,
So mögt Ihr’s bleiben lassen.