Brief vom 26. Oktober 1852 aus Manchester

By 28. August 2022Hörstelle
Nach der Revolution war der “Bund der Kommunisten” wieder neu aufgebaut worden. Im Mai 1851 werden mehrere Mitglieder verhaftet: Peter Nothjung, Hermann Becker usw. Am 4. Oktober 1852 begann der Kommunistenprozess. Im November wurde das Urteil gesprochen: 7 von ihnen werden zu 3 bis 6 Jahren Gefängnis verurteilt, 4 wurden freigesprochen. Marx löste daraufhin den Bund auf. Am 25. Oktober 1852 schreibt Marx an Engels: “In der ‘N[euen] Pr[eußischen] Z[eitung]’ ist ‘G. Weerth’ als Mitglied der Zentralbehörde in Köln angeführt, und zwar wird dies zitiert aus dem Anklageakt.” (MEW, Bd. 28, S. 162)
Am 22. Oktober 1852 schreibt Engels an Weerth: “Wir sind also jetzt von Staats und sogar Polizei wegen als ‘intelligente’ Leute anerkannt, teste Stieber. Eine schöne Geschichte. Wie der dumme Stieber die Kerls für seinen eignen Mouchard Cherval verantwortlich zu machen sucht. Weißt Du etwas über die Gründe der Verhaftung von Kothes und B[erm]bach? Grade diese beiden – das ist ominös. Den Haupt werden wir aber züchtigen. Weerth wird erfahren, wo er in Südamerika ist, und wenn er hinkommt, ihn demaskieren. Dazu ist es nötig, dass man sich die ‘Kölnische Ztg.’ oder ein andres Blatt verschafft, worin seine Aussagen stehn. Könnt Ihr das nicht besorgen? Bietet alles auf; es wäre zu schön, dem Schuft die Macht der ‘N[euen[ Rh[einischen] Z[eitung]’ bis nach Brasilien fühlen zu lassen.” (MEW, Bd. 28, S. 160)
Hermann Wilhelm Haupt, ehemals Mitglied des “Bundes der Kommunisten”, war verhaftet worden und hatte genaue Angaben über den “Bund” gemacht; er wurde daher wieder freigelassen und floh nach Brasilien.
Am 28. Oktober schreibt Marx an Engels: “Sage Weerth, dass er sich jetzt eine der ‘Minister’stellen, die Stieber zu meiner Disposition gestellt, für immer gesichert hat, wenn er den ihm zugedachten Gesandtschaftsposten in Paris nicht vorzieht. (MEW, Bd. 28, S. 174) Stieber hatte bei seiner Zeugenaussage in der Sitzung vom 18. Oktober 1852 gesagt, Marx wolle nach der künftigen Revolution Diktator Deutschlands werden und seine Mitkämpfer und Freunde zu Ministern ernennen.
Am 31. Oktober schreibt Engels an Marx: “Kinkel schlich heute, vom rabble der hiesigen deutschen Juden herumgeführt, auf der hiesigen Börse herum. Wir haben indes den Leuten schon allerlei Flöhe in die Ohren gesetzt, und Weerth wird ihm sein Dasein sowohl hier wie in Bradford etwas versalzen.” (MEW, Bd. 28, S. 180)
Am 3. Dezember 1852 schreibt Marx an Engels: “Weerth kam Sonntag abend, fand mich sehr beschäftigt und nicht ganz rosig gelaunt. Er fragte mich, ‘was ich denn eigentlich über die Kölner Geschichte schreiben wolle?’ – und dies zwar in etwas vornehm näselndem Ton. Ich fragte ihn, ‘was er in Westindien wolle?’, und nach Zeit von einer Viertelstunde verschwand er. Dienstag abend kam er wieder und sagte mir, er hätte eigentlich nicht wiederkommen wollen, habe aber dem Andringen Freiligraths nachgegeben. Ich habe ihm nämlich Sonntag sehr beschäftigt und verdrießlich geschienen. Ich nahm mir die Freiheit, Herrn Weerth darauf aufmerksam zu machen, daß er 9/10 der Zeit, die ich ihn kenne, immer verdrießlich und malcontent war, was er von mir nicht behaupten werde. Nachdem ich ihm den Kopf etwas gewaschen, fand er sich wieder zurecht und wurde – wieder der alte Weerth. Ich finde, daß er verdammt verbürgert ist und seine Karriere zu sehr ‘au sérieux’ nimmt. (MEW, Bd. 28, S. 200)
aus: Georg Weerth, Sämtliche Briefe, hrsg. von Jürgen-Wolfgang Goette, Bd. 2; Campus Verlag 1989