Brief vom 18. Juli 1856 aus Santiago de Cuba

By 10. Dezember 2022Hörstelle
Am 26. August 1856 schreibt Henry Steinthal aus Manchester an Carl Weerth:
»Mein werter Herr!
Die vorige Post via New York brachte uns von einem unserer genausten Geschäftsfreunde in Havanna, Herrn F. Büsing, den Bericht, daß Ihr Bruder, Herr Georg Weerth, am 23sten Juli abends von Santiago de Cuba in fieberhaftem Zustande eingetroffen war und sich gelegt hatte. Herr Büsing, der auch ein vertrauter Freund Ihres Bruders ist, versicherte uns zu gleicher Zeit, daß demselben die beste und sorgfältigste ärztliche wie häusliche Pflege zuteil werde und alles geschehe, um diese erfolgreich zu machen.
Die Unruhe und Besorgnis, in die uns dieser Bericht versetzte, sind leider Gottes nicht unbegründet geblieben, und ich erfülle eine traurige und mir sehr schmerzliche Pflicht, indem ich Ihnen mitteile, daß wir soeben via New York von Herrn Büsing erfahren, daß der Krankheitsanfall ungünstig verlaufen und unser Freund am 30sten Juli von seinen Leiden durch den Tod erlöst wurde.
Ich habe es für geraten erachtet, Ihnen und nicht Ihrer Frau Mutter diese betrübende Mitteilung zu machen, es bedarf wohl kaum der Versicherung, daß Ihre Familie unerer aufrichtigen Teilnahme bei diesem schmerlichen Ereignis versichert sein kann, denn wir fühlen den Verlust tief. Wir haben in ihm einen treuen und tätigen Mitarbeiter verloren, der unsere ganze Achtung, unser volles Zutrauen besaß, ich selbst aber einen Freund, den ich mit Schmerz betraure.
Untenstehend kopiere ich Ihnen das Schreiben des Herrn Büsing; ich gehe morgen auf 8 Tage nach Hamburg in Geschäften und werde, sobald uns noch Mitteilungen von Havanna eingehen, mich wieder an Sie schriftlich wenden.
Schließlich möchte ich Sie ersuchen, Ihrer Frau Mutter unser herzlichstes Beileid, obwohl unbekannterweise, zu sagen und zeichne ich mit aller Achtung
Ihr ergebener H. M. Steinthal.«
Kopie des Schreibens von Friedrich Büsing an die Firma Steinthal u. Co. in Manchester:
»Unterm 24sten v Ms sandte ich Ihnen eine Einlage von Herrn Georg Weerth ein und fügte derselben bei, daß dieser Freund hier am 23sten abends mit Fieber von Santiago de Cuba eingetroffen sei. Ich sah seinen Zustand gleich für gefährlich an und sandte noch in derselben Nacht vom 23/24sten für ärztliche Hilefe, die indessen, da die Krankheit, welche Herr Weerth gleich nach seiner Abreise von Santiago de Cuba fühlte, zu weit fortgeschritten war, schon am 25sten ohne den erwarteten Erfolg blieb. Am 26sten deklarierte sich die Krankheit in eine Gehirnentzündung, und befand sich Herr Weerth seitdem mit Ausnahme einiger kurzer Zwischenräume selten bei Besinnung, dabei aber so aufgeregt, daß er stets Tag und Nacht zwei Krankenwärter um sich haben mußte, um ihn vor etwaigen Unfällen zu schützen. Es war eine traurige und herzzerreißende Szene, einen Mann in vollster Kraft auf diese Art und Weise wegschwinden zu sehen, und wenngleich ich am 29sten nochmal für einen kurzen Augenblick neue Hoffnung, in gerettet zu sehen, hegte, so war es nur ein Vorbote seiner gänzlichen Auflösung. Die letzten 12 Stunden seines Hierseins gingen von einem sehr aufgeregten Zustande in einen stillen Schlummer über, welcher die letzte Krisis mit sich brachte und unsern edlen Weerth am Morgen vom 30sten dto. um 8 Uhr von seinen schweren Leiden erlöste.
Der Verstorbene befand sich, wie schon gesagt, während der letzten 6 bis 7 Tage außer Besinnung, und hatte ich daher auch keine Gelegenheit, mit ihm über irgend etwas zu sprechen. Den Namen seiner Mama hatte er stets auf den Lippen, und muß diese auch wohl sein letzter Gedanke gewesen sein. Diese Nachricht wird die arme Frau hart treffen, und sollte mein Weg in einigen Jahren mich nach Europa führen, so werde ich es nicht unterlassen, sie in Detmold zu besuchen. Am 30sten habe ich ihn in Begleitung einiger Bekannten auf dem hiesigen Kirchhof beisetzen lassen und dazu eine Nische genommen. Sollten seine Angehörigen wünschen, daß ich dieselbe mit einer Platte, seinen Namen etc. enthaltend, schmücken lassen soll, so lassen Sie es mich gefl. wissen, und werde ich es mit Vergnügen tun.
Ich bin überzeugt, meiner werter Herr Steinthal, daß Sie mit mir seinen Tod schmerzlichst fühlen, ich habe in unserer kurzen Bekanntschaft einen guten Freund verloren.
(gez. F. Büsing).«
Beide Briefe befinden sich in der Lipp. Landesbibliothek Detmold.
aus: Georg Weerth, Sämtliche Briefe, hrsg. von Jürgen-Wolfgang Goette, Bd. 2; Campus Verlag 1989