Der WDR hat sich gestern an uns gewandt und für die Abendausgabe der Aktuellen Stunde kurzfristig nach drei Winter-Zitaten unserer drei Detmolder Dichter gefragt. Wir lieferten innerhalb einer Stunde. Hier das Ergebnis:
Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) aus dem Drama »Die Hermannsschlacht«:
Hermann:
Unser Land bleibt auch im Winter das,
wonach die Barden es benennen,
das Land der Rose.
Feurig bezeugen es deine Wangen.
(zu finden in der Gesamtausgabe Bd. 3, S. 257)
Ferdinand Freiligrath (1810-1876) schuf als Revolutionär und Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung in Köln am 3. November 1848 das Gedicht »Wien« aus »Neuere politische und sociale Gedichte«. Dort heißt es:
Der Herbst ist angebrochen, der kalte Winter naht –
O Deutschland, ein Erheben! o Deutschland, eine That!
Die Eisenbahnen pfeifen, es zuckt der Telegraph –
Du aber bleibst gelassen, du aber bleibst im Schlaf!
Viel schöner ist sein Weihnachtsgedicht, etwas idyllischer:
Wenn traulich mit schimmernden Flocken der Winter die Erde beschneit,
Und rings die metallenen Glocken sich regen zum Weihnachtsgeläut,
Dann senkt sich auf goldenen Wagen Christkindlein zur Erde herab,
Von rosigen Wölkchen getragen, im Händchen den silbernen Stab.
Es geht zu den schlafenden Kindern, küsst sie voll Inbrunst und spricht:
Schlaft ruhig, ihr möchtet mich hindern, schlaft ruhig und störet mich nicht.
Dann trägt es in jegliches Zimmer den strahlenden, herrlichen Baum.
Oh, möchte vergehen doch nimmer Weihnacht und Weihnachtstraum.
Der dritte Detmolder Dichter, der Kaufmann und Revolutionär Georg Weerth (1822-1856), schreibt in seiner Erzählung »Die Armen in der Senne« aus dem Jahre 1845 bittere Realitäten zum Winter:
Wir wollen von den Bergen hinuntersteigen und uns auf dem eigentlichen Terrain näher umsehen. – Eine Wüste nannten wir jenen Landstrich, und dennoch bevölkert! Leider ist dieß nur zu wahr; – denn auch hier, wo die Natur dem Menschen geradezu untersagt zu haben scheint, sich anzubauen, hat der Arme, dem kein besserer Boden zu Theil wurde, sein Korn der Erde anvertraut. Hier und dort, wo der Sand fester und feuchter ist, sieht man Buchwaizen und Hafer in dünnen Halmen aufschießen; gleich daneben, hinter einem Zaun, aus Birken geflochten, weidet eine magre buntgefleckte Kuh, wohl die einzige Trösterin des Bauers, der nicht weit davon aus Lehm und Baumzweigen seine niedrige Hütte aufgeschlagen hat. Treten wir an die Thür derselben, da schlägt uns ein dichter Rauch entgegen, denn für einen Schornstein hat man nicht gesorgt. Ist im Winter der Heerd erloschen, da muß der in der Hütte zurückgebliebene Rauch und Dunst noch wärmen. Gehen wir vorüber, da laufen uns einige zerlumpte Kinder nach; sie halten die Hände gefalten und murmeln eine Sprache, welche Niemand versteht. Aber in den kümmerlichen Blicken kann man lesen, was sie wollen, und gebt ihr einem kleinen Mädchen mit hellblonden Haaren, eine Silbermünze, da ist es mehr als sie je besaß, mehr als sie in mehreren Wochen durch Flachsspinnen verdienen kann. – Es ist so rührend-komisch, wenn man mit einem Bauer spricht, welcher eben aus Friesland zurückkommt, wo er einige Monate für Lohn arbeitete. Seine Augen blitzen vor Freude; er bringt Geld mit, Geld in dem kleinen ledernen Beutel; das kleine Feld ist unterdeß leidlich gediehen; – die Kuh ist noch am Leben; er dünkt sich reich und glücklich! Da sieht er plötzlich seine Kinder herbei laufen und er wird ernst und still; es fällt ihm ein, daß Alles vielleicht nicht hinreicht, um die junge Brut durch den Winter zu bringen.
„Aber, beim Teufel, lieber Mann, weßhalb hat er auch so viele Kinder!“ Ja, sagt der Bauer dann, die Obrigkeit ist auch gar nicht damit zufrieden. Seh’n Sie, wenn unser Eins heirathen will, da muß er erst auf dem Amt 150 harte Thaler vorzeigen können, und kann er dieß nicht, da mag er gehn, – er wird nicht copulirt. Wenn ich nun unsers Nachbars junge Liese gern leiden mag und kein Geld habe, was thue ich dann? Entweder muß ich bei einem Paderborner Juden das Geld borgen und abscheuliche Procente bezahlen; oder – und dann sieht mancher junge Bauer verschämt zur Erde. –
Am schlimmsten sind die Leute daran, welche sich durch irgend einen günstigen Ackerfleck verleiten ließen, mitten in die eigentliche Senne zu ziehen, denn dort sind sie, wenn im Winter die ohnehin ungangbaren Wege ganz verschneien, von aller Welt abgeschnitten. Der Vorrath von Kartoffeln geht bald zu Ende; durch die schlechte Witterung, welche die Lehmwände der Hütten naß und feucht macht, brechen Krankheiten in’s Haus herein; – mehrere Glieder der Familie liegen schon, die Alten an der Gicht, die Jungen am Nervenfieber darnieder, – da macht der Gesundeste sich auf und eilt zu dem Prediger des nächsten Dorfes.
Das Ende ist tragisch, das erspare ich Ihnen heute.
Herzliche Grüße aus der Redaktion!